Die polnisch-amerikanische Historikerin und Publizistin Anne Applebaum hat bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele vor weltweiten antidemokratischen Tendenzen gewarnt. Die Zivilgesellschaft mit ihren für selbstverständlich gehaltenen Freiheiten sei so stark in Gefahr wie seit Generationen nicht mehr, sagte die 61-jährige Intellektuelle. Auch in Europa seien Politiker an der Macht, die zivilgesellschaftliche Organisationen als Bedrohung wahrnähmen.
Sie stünden in der Tradition des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der als einstiger Mitarbeiter des Geheimdienstes KGB gelernt habe, alle selbst organisierten Aktivitäten als verdächtig zu behandeln. «In seinem ganz eigentümlichen paranoiden Nationalismus behandelt er NGOs als Spione», so Applebaum.
Gesetze nach russischem Vorbild
Der Angriff auf die Zivilgesellschaft gehe über Russland hinaus. China, Venezuela und Ägypten hätten inzwischen Gesetze nach russischem Vorbild. In Europa würden «gefährdete Demokratien» wie Ungarn oder Georgien solche Anstrengungen unternehmen. Auch in den USA seien solche Versuche inzwischen denkbar, meinte Applebaum.
Ein wesentlicher Grund für die Entwicklung sei die Ablenkung durch das Internet, das dem realen politischen und sozialen Engagement entgegenwirke. «Wenn Internet-Plattformen uns heute die Welt durch eine einsame, personalisierte Linse zeigen, wird dieses Problem allmählich bedrohlich.» Die Menschen würden nicht mehr gemeinsam planen und ihr Leben organisieren. «Wir praktizieren keine Demokratie», so die Historikerin.
Applebaum wurde mit dem Pulitzerpreis sowie dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Sie gilt als eine der profiliertesten Kritikerinnen autoritärer Herrschaftssysteme.