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Superheldin für Mittelerde: Wie Amazon Tolkien verfilmt

Robert Aramayo (l, Elrond) und Morfydd Clark (Galadriel) in einer Szene aus «Der Herr der Ringe - Die Ringe der Macht». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Ben Rothstein/Amazon Studios/dpa)
Prime Video hat ein Mammutprojekt begonnen, das die Gemüter erregen wird. Die Produzenten rollen «Der Herr der Ringe» als Serie neu auf. Jetzt nehmen auch Frauen das Schicksal von Mittelerde in die Hand.

20 Jahre. Das ist für einen Elben aus J.R.R. Tolkiens magischer Mittelerde nicht mehr als ein Wimpernschlag. In der Popkultur kann es eine Ewigkeit sein.

Ab 2001 eroberte Peter Jackson mit der «Herr der Ringe»-Trilogie 17 Oscars und ein Millionenpublikum rund um den Erdball. Nur wenigen fiel damals auf, dass die Macher für ihre Heldenschar nur weiße Menschen vor die Kino-Kamera gelassen hatten. Kaum einer hat es an die große Glocke gehängt, dass es keine nennenswerte starke Frauenfigur gab, außer man lässt mit Wohlwollen Miranda Otto als Éowyn gelten.

Nur weiße Menschen in Mittelerde

War es wirklich klug, den von nordischen Sagen und Schwarz-weiß-Denken geprägten Blick von Tolkien (1892-1973) auf die Welt mehr oder weniger ungefiltert zu Hollywood-Glanz zu verhelfen?

Das sind so Fragen, die einem in den Sinn kommen können, wenn man das fast größenwahnsinnig zu nennende Projekt von Prime Video ansieht: «Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht» geht an diesem Freitag (2.9.) weltweit als Streaming-Serie online.

Die Macher holen für das Opus Magnum sehr weit aus. Sie beginnen nicht mit der Vorgeschichte «Der Hobbit», die schon verfilmt wurde und an den Kinokassen deutlich weniger Erfolg hatte als «Der Herr der Ringe». Sie beginnen noch früher: mit der großen jahrhundertelangen Schlacht der Elben gegen Morgoth.

Eine Figur und eine Epoche von Mittelerde, die eher Hardcore-Tolkien-Fans kennen, die sich bis zu seinem Fragment-Text «Das Silmarillion» vorgearbeitet haben: ein 1977 posthum erschienenes Buch, in dem Gut und Böse bei den Figuren teilweise verschwimmen. Ein Werk, das nicht so starre Vorgaben macht wie der legendäre Klassiker.

Worum geht es in der Serie? Im Mittelpunkt steht die junge Galadriel (Morfydd Clark), die dank der riesigen Lebensspanne von Elben auch später noch im Tolkien-Kosmos eine Rolle spielen wird. Die Kämpferin hat im Krieg gegen Morgoth und seinen Nachfolger Sauron ihren Bruder verloren und sinnt auf Rache. Die dunklen Scharen haben sich seit langer Zeit zurückgezogen, doch Galadriel traut dem Frieden nicht. Während ihr Hochkönig die elbischen Besatzungstruppen aus allen Teilen Mittelerdes in die Heimat zurückzieht, soll die blonde Amazone nach Valinor abgeschoben werden, eine Art Walhall für große Heroen.

Das Ganze erinnert an ein Videospiel

Galadriel springt kurz vor der Heldenhimmelfahrt ins offene Meer und kämpft sich Richtung Küste zurück. Unterdessen mehren sich Zeichen, dass Mittelerde eine apokalyptische Invasion bevorsteht. Im Land der Menschen verliebt sich Elbensoldat Arondir (Ismael Cruz Córdova) in die anmutige Bronwyn (Nazanin Boniadi). Als der Befehl zum Abzug kommt, bleibt er, um den dunklen Vorzeichen nachzugehen: Kühe, die schwarze Milch geben. Dörfler, die verschwinden. Was bedeutet das? Und Nori Brandyfoot (Markella Kavenagh), ein Mädchen vom Stamm der Hobbit-Verwandten Harfüße, sieht einen alten Mann vom Himmel fallen. Superheldin Galadriel wird derweil von einem Seeungeheuer gejagt.

«Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht» arbeitet mit einer dichten Schlagzahl. Schlachten, Monster, überwältigende Landschaften: Der Zuschauer wird wie in einem Computerspiel von einem starken Trigger zum nächsten gejagt, während die Autoren eine Geschichte frei nach Tolkien entspinnen. Überhaupt erinnert das Serienprojekt optisch ein wenig an ein Videospiel. Mit einer Mittelerde-Welt, in der es auf einmal auch starke Heldinnen sowie Nicht-Weiße gibt.

«Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht» geht am Freitag als Streamingserie bei Amazon Prime Video online. Zum Auftakt gibt es zwei Folgen, danach im Wochentakt je eine Episode. Acht Folgen.

Von Christof Bock, dpa