Wie moderiert man eine Gala, bei der man selbst auch einen Preis bekommt? Moderatorin Siham El-Maimouni hatte dazu bei der Grimme-Preisverleihung am Freitagabend in Marl eine Idee: Sie zog zur Verblüffung des Publikums mitten in der Moderation ihre hohen Schuhe aus und verließ die Bühne. Kurz danach kam sie als Preisträgerin auf Strümpfen wieder herein. Die zuvor ebenfalls ausgezeichnete Moderatorin Sarah Bosetti übernahm für die Laudatio das Mikrofon.
«Die ziehe ich nicht wieder an», sagte Maimouni mit Blick auf die unbequemen Schuhe, als sie wieder auf der Bühne stand, und machte auf Strümpfen weiter. Der elegante und augenzwinkernde Sprecherwechsel war typisch für eine Grimme-Verleihung, bei der erstmals in der 60-jährigen Geschichte des Preises mehr Frauen als Männer zu den Preisträgern zählten.
Maimouni bekam den Preis für eine Spezial-Ausgabe der Sendung mit der Maus in Marokko, der Heimat von Maimounis Eltern. Sie selbst wurde in Duisburg geboren. Sarah Bosettis Show «Bosetti Late Night», die Sendung mit dem «Bullshit-Knopf» fürs Publikum, wurde von der Jury für die Dynamik geehrt, mit der die Moderatorin klassische Late-Night-Formate sprenge.
Weitere Preisträger
Neben Bosettis Show erhielt die Pilotfolge der Talkshow «Der letzte Drink mit Anna Dushime» einen Grimme-Preis. Die schwarze Journalistin hatte darin Roberto Blanco an der Cocktail-Bar interviewt – mit Hartnäckigkeit und hervorragender Vorbereitung, wie ihr die Moderatorin bescheinigte. Auf die Frage, ob nach der Pilotsendung denn jetzt viele weitere folgen, konnte sie allerdings keine Antwort geben. «Es fehlt bei schwarzen Menschen nicht am Talent, sondern an Gelegenheiten», sagte Dushime.
Zu den ausgezeichneten Sendungen zählt «Ukraine – Kriegstagebuch einer Kinderärztin» (Arte). Der Film begleitet die Arbeit der Ärztin Vira Primakova auf der Intensivstation eines Kinderkrankenhauses in Lwiw. Als «überaus wertvollen Beitrag zur Me-Too-Debatte» lobte die Jury den Film «Nichts, was uns passiert» (WDR), der ebenfalls einen Grimme-Preis bekam. Darin geht es um den Vorwurf der Vergewaltigung nach einer Party.
Disney+ setzt ein Zeichen gegen Rassismus mit «Sam – Ein Sachse»
Einen Schwerpunkt gegen Rassismus setzte die mit einem Grimme-Preis ausgezeichnete Produktion des Streaming-Anbieters Disney+ «Sam – Ein Sachse» über einen afrodeutschen Polizisten in Sachsen. Die Serie basiert auf einem realen Fall. Hauptdarsteller Malick Bauer dankte von der Bühne dem realen früheren sächsischen Polizeibeamten Samuel Meffire für den «intensiven Austausch» für die Serie.
Mit der Geschichte habe Disney etwas geschafft, was bisher keine Fernsehredaktion zustande gebracht habe: «Die erste große afrodeutsche Serie, die schon so lange überfällig war», lobten die Juroren.
Für ihre besondere journalistische Leistung wurde die ARD-Korrespondentin in Istanbul, Katharina Willinger, geehrt. Sie habe hartnäckig etwa über das Leid nach dem Erdbeben in der Türkei berichtet, auch wenn die meisten Kameras schon weitergezogen seien, lobte die Jury. Willinger ist auch für den Iran zuständig. Es sei sehr schwer, dort zu arbeiten, weil Journalisten und ihre Informanten unter ständiger Beobachtung stünden, sagte sie im Interview.
Privatsender gehen dieses Jahr leer aus
Insgesamt verlieh das Grimme-Institut 17 Preise mit Ausnahme von Disney + ausschließlich an öffentlich-rechtliche Sender. Die Privatsender gingen in diesem Jahr leer aus. Die gesamte Branche stehe finanziell unter Druck. Als Folge würden etwa in der Unterhaltung erfolgreiche Formate aus dem Ausland eingekauft und für Deutschland adaptiert, hatte die Grimme-Jury-Vorsitzende für die Unterhaltung, Amna Franzke, vorab im Podcast «Läuft» von Grimme-Institut und epd-Medien gesagt. «Wir wünschen uns mehr Mut, Dinge auszuprobieren.»
Mitarbeitende verzichten auf Gehalt
Auch das Grimme-Institut selbst steckt in Finanzproblemen. Ein sechsstelliges Finanzloch für das laufende Jahr konnte nur mit Gehaltsverzicht der Mitarbeiter geschlossen werden. Der zweite große Wettbewerb des Hauses, der Grimme Online Award für Qualitäts-Produktionen im Internet, droht wegen Geldmangels in diesem Jahr auszufallen.
Der neue kommissarische Geschäftsführer Peter Wenzel will jetzt die Sanierung anpacken, wie er am Freitag der dpa sagte. «Es ist gut, dass wir 60 Jahre Grimme-Preise feiern», sagte NRW-Medienminister Nathanael Liminski auf der Show-Bühne. «Ich werde alles dafür tun, das wir auch 120 und 360 feiern.»
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