Katja Wildermuth kann schon mal ungeduldig werden. So wie beim ersten Statement nach ihrer Wahl zur neuen Intendantin des Bayerischen Rundfunks (BR).
Nur ganz knapp spricht die 55-Jährige von Dank und Vorfreude, um kurzerhand in die Presserunde zu fragen: «Soll ich noch was sagen?» Als würde sie statt vieler Worte lieber gleich mit Taten loslegen.
Schnörkellos schiebt sie dann doch noch hinterher: «Wir werden eine herausfordernde Zeit vor uns haben. Da geht es um Finanzdebatten, um Akzeptanzdebatten.» Zwei kurze Sätze beschreiben ihre beiden wohl schwierigsten Aufgaben an der Spitze der viertgrößten ARD-Anstalt.
Ab Februar ist Wildermuth die erste Intendantin in der mehr als 70-jährigen Geschichte des Senders. In vier der neun ARD-Anstalten führen nun Frauen die Regie. Beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR), wo Wildermuth bislang Programmdirektorin war, ist Karola Wille Intendantin, beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) Patricia Schlesinger, und Radio Bremen leitet Yvette Gerner.
Wildermuth folgt in München auf Ulrich Wilhelm. Der 59-Jährige trat nach zehn Jahren nicht mehr für eine dritte Amtszeit an. Wildermuth übernimmt einen BR in Zeiten seiner bisher größten Reform – inklusive Neubau eines riesigen Redaktionszentrums für TV, Radio und Online aus einem Guss.
Die Baustelle im Münchner Norden reicht weit in Wildermuths Amtszeit, der große Umzug ist für 2024 geplant. Der BR habe seinen trimedialen Veränderungsprozess «BR hoch drei» noch nicht abgeschlossen, sagt auch Rundfunkratsvorsitzender Lorenz Wolf zu Wildermuths Start der Deutschen Presse-Agentur. Das Gremium beaufsichtigt den Sender.
Die Erwartungen an die neue Intendantin sind groß, intern wie extern. Rückendeckung gibt ihr das klare Votum des Rundfunkrats bei der Wahl im vergangenen Herbst: 38 von 48 Stimmen – Sieg auf Anhieb im ersten Wahlgang. Quer durch alle politischen Lager hatte sich ein Bündnis für Wildermuth – und erstmals eine Frau an der BR-Spitze – gebildet.
Ein Frauennetzwerk im Sender will mehr: Handlungsbedarf gebe es noch auf den nächsten Führungsebenen. Der Frauenanteil im Sender liegt den Angaben zufolge bei gut einem Drittel. Wildermuth plädierte in einem BR-Interview wenige Tage nach der Wahl für generell mehr Vielfalt: «Dazu gehört das Geschlecht, aber dazu gehören natürlich auch andere Bereiche: soziale Differenzierung oder regionale Unterschiede.»
Den BR kennt Wildermuth seit der Kindheit im oberbayerischen Anzing. In München studierte sie Deutsch, Geschichte und Sozialkunde fürs Lehramt am Gymnasium. Später promovierte sie in Alter Geschichte und machte ein Verlagsvolontariat. «Jetzt ist es wie Heimkommen, und darauf freue ich mich total», sagte die verheiratete zweifache Mutter dem BR. Nach Bayern bringt sie auch ihre Fußball-Leidenschaft mit.
Die 55-Jährige ist Journalistin, Medienmanagerin und Programmmacherin durch und durch, verantwortete preisgekrönte Produktionen mit. Sie sammelte viel Erfahrung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. So arbeitete Wildermuth in den 1990er Jahren beim ARD-Politmagazin «Fakt» als Autorin. Beim Fernsehen des Norddeutschen Rundfunks (NDR) war sie zwischen 2016 und 2019 Programmbereichsleiterin Kultur und Dokus – verantwortlich für rund 40 Formate.
Seit April 2019 leitete Wildermuth die crossmediale Programmdirektion Kultur und Wissen des MDR mitsamt der jungen Angebote. Der Sender gilt als einer der Vorreiter bei der Vernetzung von TV, Radio und Online. Beim strategischen Umbau in Halle habe Wildermuth bewiesen, dass sie auch Kosten und Effizienz im Blick habe, hieß es unlängst in ihrem Umfeld.
Sie gilt dort als durchsetzungsstark und zugleich nahbar, stehe für flache Hierarchien und eine offene Unternehmenskultur. Auch BR-Rundfunkratsvorsitzender Wolf bescheinigt ihr: «Sie hört gut hin und stellt die meines Erachtens wichtigen und richtigen Fragen. Ich habe den Eindruck gewinnen können, dass sie nichts übereilt und die Dinge dennoch anpackt.»
Darauf setzen viele im BR. Trimedialer Umbau und ständiger Wandel bewegen die knapp 5250 Beschäftigten, darunter gut 1750 arbeitnehmerähnliche Honorar- und Gagenempfänger. Unruhe herrscht auch wegen des politischen Streits um einen höheren Rundfunkbeitrag, der inzwischen das Bundesverfassungsgericht beschäftigt.
Ganz gleich, ob das Beitragsplus von 86 Cent auf 18,36 Euro im Monat kommt: Sparen muss der BR in jedem Fall. Finanz- und Personalchef ist der erfahrene Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel. Der 54-Jährige hatte auch für den Intendantenjob kandidiert. Wenn das Miteinander klappt, erwarten viele Rundfunkräte eine gute Kombi: «Wildermuth bringt Programmerfahrung mit, Frenzel Management», hieß es vielfach vor der Wahl.
Neben dem Ringen um die Finanzen stellt sich Wildermuth offensiv der Akzeptanzdebatte: Wie alle öffentlich-rechtlichen Sender muss der BR in der Gesellschaft weit mehr als früher für sich werben. Wildermuths Trumpf: Sie bringt Erfahrungen aus den Bundesländern im Osten mit, wo es relativ viel Gegenwind gibt.
Manche kritische Fragen an die Intendantin werden auch von Bayerns Zeitungshäusern und Privatsendern kommen. Der BR verstärkte zuletzt seine Präsenz in den Regionen deutlich – das sehen viele mit Unbehagen.
Innerhalb der ARD-Familie wird Wildermuths Start ebenfalls gespannt erwartet. Der BR hatte im vergangenen Jahr in einigen wichtigen Fragen Gegenpositionen zur ARD-Mehrheit eingenommen – auch zu Wildermuths MDR. Wie da wohl der Kurs «der Neuen» beim BR aussieht?
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