Gerade erst hatten sie sich zusammengerauft und erkannt, dass sie doch gut miteinander können – der sensitive Kommissar Ross und Haudrauf Raczek. Da hat Adam schon müde und desillusioniert hingeschmissen und Vincent muss erstmals allein an der deutsch-polnischen Grenze ermitteln. Der Kommissar weiß sich aber zu helfen und bezieht in die Ermittlungen zum Tod eines polnischen Kleinunternehmers einen eifrigen Polizisten aus der Gegend mit ein.
Der neue «Polizeiruf 110» mit dem Titel «Gott des Bankrotts» gibt Schauspieler André Kaczmarczyk viel Raum und bringt Überraschendes über die Region zu Tage. Das Erste strahlt die Folge an diesem Sonntag um 20.15 Uhr aus.
Auch in Brandenburg gibt es Pilger
«Die Wege des Herrn führen also auch durch Brandenburg», stellt Kriminalhauptkommissar Vincent Ross erstaunt fest. Ein Toter wird in der Nähe des Jakobsweges gefunden, der durchs Märkische führt. Antoni Mazur (Frank Jendrzytza) hatte sich offenbar Pilgern angeschlossen – jetzt liegt seine Leiche in einer Kiesgrube. Revierpolizist Karl Rogov (Frank Leo Schröder) ist als Erster am Fundort und übernimmt sofort die Befragungen. Rogov, Polizist alter Schule und früher bei der Kripo, hat keinen guten Ruf: Probleme mit den Vorgesetzten, heißt es aus der Belegschaft.
Der psychologisch geschulte Ermittler Ross sieht aber die Qualitäten des Kollegen und lässt ihn am Fall mitarbeiten – weiß er doch als queerer Kommissar aus der Vergangenheit nur zu gut, was Misstrauen bedeutet. «Vielleicht war er nicht durchschnittlich genug», entgegnet Ross seinen polnischen Kollegen ironisch, die vom beflissenen Rogov genervt sind. Diesmal braucht Ross aber nicht nur psychologisches Gespür, um hinter die Verästelungen des Falls zu gelangen. Die Hilfe vom kautzigen Rogov, der mit Vorliebe Döner isst und in seinem Notizbuch alles gründlich festhält, kommt ihm entgegen.
Bei den Ermittlungen stellt sich heraus, dass der Tote verzweifelt war, weil er große finanzielle Probleme hatte. Ein Insolvenzverfahren stand ihm bevor. Seine Frau Lina (Katrin Heller) wusste nicht viel. Klaudiusz (Roman Wieslaw Zanowicz), der Vater des Toten, begegnet der Polizei abweisend. Beide deuten aber an, dass Insolvenzverwalter Udo Schick (Bernhard Schir) und sein Schuldenberater Jonathan Hüter (Godehard Giese) großen Druck auf den Toten ausgeübt haben sollen.
Auch die Tochter des Insolvenzverwalters, Maria Schick (Anna-Maria Bednarzik), wandert auf dem Pilgerweg. Sie hat sich eine Auszeit von der Schule genommen, worüber ihr Vater nicht glücklich ist. Die Befragungen in der Pilgergruppe gestalten sich für Ross und Rogov zäh, die meisten Teilnehmenden sind mit sich selbst beschäftigt. Als herauskommt, dass der Insolvenzverwalter seine Tochter kurz vor dem Tod von Mazur abgefangen hat, gerät auch er unter Tatverdacht.
Vincent Ross hört auf seine Emotionen
Mit «Gott des Bankrotts» greift die Krimi-Folge ein aktuelles Thema auf: nämlich die Existenznot, in die man in einer Krise geraten kann, in der sich menschliche Tragödien abspielen können und persönliche Pleiten sichtbar werden. Autor Mike Bäuml hat in der Pandemie reale Geschichten von Insolvenz-Betroffenen gesammelt. Der Film rückt die seelischen Folgen glaubhaft in den Vordergrund.
Und wie schlägt sich Vincent ohne Adam bei den Ermittlungen? André Kaczmarczyk bleibt in seinem ersten Solo-Fall ein wohltuend anderer Kommissar. Die Rolle hat nichts von der üblichen Forschheit und Hast, die Zuschauer auch unzufrieden zurücklassen kann. Kaczmarczyks Darstellung eines Kommissars ohne klassisches Rollenverständnis ist eine große Bereicherung für den Polizeiruf. Ermittler Vincent folgt seinen Emotionen und schaut in die Seele seiner Mitmenschen.
Ein starker Gegenpart wäre schön
«Wenn man das kritisch sieht, dass die Grenzen zwischen Ermittler und Psychologe ineinander übergehen, finde ich das auch gut», sagt Kaczmarczyk der Deutschen Presse-Agentur. Diese emphatische, den Menschen zugewandte Seite könne durchaus auch als Hindernis im Weg stehen. Damit spiele der Film, beschreibt der Mime.
Ermittelt Vincent bald wieder im festen Duo? Tragen kann Kaczmarczyk mit seinem Schauspiel den Film allein. Doch seine Rolle lebt auch vom Korrektiv. «Ich wünsche mir sehr eine Person, die einen starken Gegenpart darstellt mit einem ausgefuchsten Verhältnis aus Nähe und Distanz», sagt Kaczmarczyk. Er kann aber auch gut damit leben, wenn in jeder Folge immer jemand anderes an seiner Seite wäre – eben so wie im normalen Polizeidienst. «Das könnte auch im Film einen Charme haben, wenn man von den jeweiligen Ermittelnden überrascht wird.»
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