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RBB-Affäre: Öffentlich-Rechtliche vor Aufräumprozess

Wie geht es weiter beim RBB nach dem Rücktritt von Intendantin Schlesinger? (Urheber/Quelle/Verbreiter: Monika Skolimowska/dpa)
Die Affäre um angebliche Vetternwirtschaft und auffällige Privilegien für die zurückgetretene ARD-Chefin und RBB-Intendantin trifft den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in schwieriger Zeit. Es geht um Geld, aber auch um Strukturen.

Die Affäre um Intendantin Patricia Schlesinger beim ARD-Sender RBB ist nicht einmal im Ansatz aufgeklärt. Jetzt hat sich sogar die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Und schon längst ist ein bedrohlicher Schaden für das Image der gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunklandschaft entstanden. Nicht nur der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) steht vor dem großen Aufräumen und einem Neustart, wie ihn nun viele fordern. Der Fall strahlt längst auf ARD, ZDF und Deutschlandradio ab. Nicht nur Systemkritiker reagieren mit scharfen Attacken.

Massagesitze im luxuriösen Dienstwagen

Zähe, quälende Wochen liegen hinter allen. Seitdem das Online-Medium «Business Insider» das Ganze Ende Juni ins Rollen gebracht hatte, kamen immer neue Schlagzeilen zur selbstbewusst auftretenden Schlesinger auf, die sich vor ihrer Zeit beim RBB unter anderem als ARD-Korrespondentin im Ausland und beim NDR-Magazin «Panorama» Meriten verdient hatte. Es geht um angebliche Vetternwirtschaft und auffällige Privilegien für die 61-Jährige. Und einen womöglich zu laxen Umgang beim beruflichen und privaten Verhältnis zu Senderchefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf.

Das Ganze kleideten Medien mit Details aus: Massagesitze im luxuriösen Dienstwagen, für den es einen hohen «Regierungsrabatt» gab samt Privat-Chauffeur. Massagesessel in der für 650.000 Euro mit Parkett und schicken Möbeln aufgemotzten Chefetage. 16 Prozent Gehaltserhöhung auf 303.000 Euro. Dazu kam ein vorher nicht bekannter und immer noch nicht öffentlich bezifferter Bonus.

Genüsslich wurde die Menüfolge für Gäste auf RBB-Kosten in Schlesingers Privatwohnung im Beisein ihres Ehemannes zitiert, der wiederum als Berater für die Berliner Messe fungierte, deren Aufsichtsratschef Wolf auch im RBB dem Verwaltungsrat vorstand. Gegen alle drei ermittelt die Staatsanwaltschaft von Amts wegen wegen des Anfangsverdacht Untreue und Vorteilsannahme.

Bis zur Aufklärung gilt die Unschuldsvermutung

Weitere Details: Aufträge für Berater bei einem – inzwischen nach öffentlichem Druck auf Eis gelegten – Bauprojekt für ein «digitales Medienhaus» des Senders. Selbst der RBB-Abgang Schlesingers ist noch begleitet von Spekulationen, ob es eine Abfindung geben könnte, weil sie in ihrem Rücktrittsschreiben an die RBB-Aufsichtsgremien auf Vertragsparagraphen pochte und ihren Anwalt ins Spiel brachte.

Bis zur Aufklärung gilt für Schlesinger die Unschuldsvermutung. Die 61-Jährige wollte während der Untersuchung durch eine externe Anwaltskanzlei, die eine Gigabyte-Masse an Dokumenten aus dem Sender durchackert, unbedingt im Amt bleiben. Ihre Kommunikationsstrategie – im Landtag in Potsdam auf Einladung nicht erscheinen, danach aber Interviews geben – bezeichnen viele als großen Fehler, vielleicht als Kipp-Punkt der Affäre. Am Donnerstag folgte ein halber Rücktritt mit dem Rückzug vom ARD-Vorsitz, den sie erst zu Jahresanfang angetreten hatte. Danach fragten sich viele, wie sich Schlesinger danach noch an der RBB-Spitze halten könnte. Am Sonntag war dann auch dort endgültig Schluss. Eigentlich hätte ihre RBB-Amtszeit bis 2026 gedauert.

In Frankreich wurde die Rundfunkgebühr abgeschafft

Der Fall hat europäische Dimensionen: In Frankreich wird gerade die Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen neu geordnet. Die Abschaffung der Rundfunkgebühr ist durchs Parlament – Präsident Emmanuel Macron hat das im Wahlkampf propagiert. Einige Abgeordnete haben den Staatsrat angerufen, das Ganze ist also noch nicht in Stein gemeißelt. In Großbritannien steht die BBC unter gewaltigem Druck, Ex-Premierminister Boris Johnson zündelte gerne mit dem Plan einer Streichung der Gebühren und dem Einfrieren staatlicher Subventionen für die öffentlich-rechtliche BBC. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist also international derzeit unter Druck. Jedenfalls dort, wo es ihn gibt. In den USA etwa spielt er bestenfalls eine Nebenrolle.

Seit Jahren sehen sich auch in Deutschland ARD, ZDF und Deutschlandradio, die weiterhin eine sehr hohe Verbreitung und hohe Nutzerzahlen haben, Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. Sie werden durch Rundfunkbeiträge von jährlich rund 8 Milliarden Euro finanziert. Die Beitragserhöhung auf monatlich auf 18,36 Euro im vergangenen Jahr war kein Selbstläufer – Sachsen-Anhalt hatte blockiert. Das Bundesverfassungsgericht setzte das Ganze vorläufig durch.

Der Rechtfertigungsdruck steigt

Die AfD setzt beim Thema öffentlich-rechtlicher Rundfunk auf Konfrontation, auch aus den Reihen der Union gibt es immer wieder Unmut. Die nächste Runde für die Finanzierung steht für die Sender im Herbst an, sie werden sich wieder in kritischeren Länderparlamenten rechtfertigen müssen. Die Bundesländer wollen zudem perspektivisch die Finanzierung des Rundfunksystems reformieren, das ist in einem Staatsvertrag geregelt. All das hätte Schlesinger verhandeln müssen. Nach den Vorwürfen undenkbar. Das muss nun zunächst ihr Vorgänger als ARD-Chef übernehmen, WDR-Intendant Tom Buhrow.

Die Gefahr, die von den Affären um Schlesinger ausgeht, sehen viele. Der RBB-Medienjournalist Jörg Wagner sagte im RBB-Inforadio gar: «Das ist die stärkste Krise, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk gerade durchmacht.»

Die Grünen-Fraktionschefin im Potsdamer Landtag, Petra Budke, sagte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk brauche klare Transparenzregeln für die Verwendung der Mittel der Beiträge. Denn die «erbitterten» Gegner des Systems würden versuchen, die aktuelle Diskussion für ihre Ziele auszunutzen. Jene Kritiker, die ARD und ZDF immer wieder Vorwürfe machen: etwa für die Fülle der mehr als 60 ARD-Radiowellen, für hohe Investitionen in Sportrechte und das System des Rundfunkbeitrags.

Der medienpolitische Sprecher der SPD im Bundestag, Helge Lindh, betonte, wer den Fall Schlesinger «mutwillig instrumentalisiert», um den Öffentlich-Rechtlichen den Garaus zu machen, handele fahrlässig und unredlich. Er forderte zeitgemäße Compliance-Systeme und Whistleblowing-Hotlines für alle Körperschaften des öffentlichen Rechts – um Filz zu entflechten. Der medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Thomas Hacker, teilte mit: «Entscheidend ist jetzt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk verlorenes Vertrauen zurückgewinnt und alle Sendeanstalten ihre Compliance-Mechanismen grundlegend überprüfen, auch wenn es kein systemisches Versagen ist.»

Politik fordert Aufklärung

Auf den RBB wächst der Druck, die Aufklärung zu beschleunigen. Der Redaktionsausschuss betonte, der Rücktritt von Schlesinger könne nur der Anfang sein. «Ein Schritt, der längst überfällig war.» Es müsse die Verantwortung der übrigen Geschäftsleitung geklärt werden. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und Brandenburgs Medienstaatssekretär Benjamin Grimm (SPD) forderten ihrerseits lückenlose Aufklärung. Auch eine Stärkung der Kompetenz der Kontrollgremien wurde von Grimm angesprochen. Der RBB-Staatsvertrag wird zudem gerade von den Ländern Berlin und Brandenburg novelliert. Der Hauptausschuss im Landtag will Schlesinger nach wie vor in der Sondersitzung in der nächsten Woche befragen.

Rundfunkrat: «Das wird ein langer Weg»

Der Rundfunkrat des ARD-Senders RBB will am Dienstag nächster Woche über die Vertragsauflösung von Schlesinger beraten. Man werde sich am 16. August erneut zu einer Sondersitzung treffen, teilte das Kontrollgremium des Rundfunks Berlin-Brandenburg am Montag nach einer Sondersitzung mit. «Dort wird über letzte Fragen der Vertragsauflösung von Patricia Schlesinger und die weitere Rolle von RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf beraten werden, der sein Amt aktuell ruhen lässt.»

Der Rundfunkrat bei dem öffentlich-rechtlichen Sender betonte, dass die Aufklärung der Vorwürfe gegen Schlesinger und Wolf weiterhin höchste Priorität habe. Der RBB müsse «verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen, die Führungsspitze des Senders muss ihre Glaubwürdigkeit zurückerlangen, das wird ein langer Weg», sagte die Rundfunkratsvorsitzende Friederike von Kirchbach.

Von Anna Ringle, dpa