Die TV-Sommerpause beginnt: Nach und nach verabschieden sich die Talkshows vom Bildschirm, Günther Jauchs «Wer wird Millionär?» ist erstmal weg, die «heute-Show» auch drei Monate off und bei den Sonntagskrimis gibt es keine Neuware – außer noch einen Münchner «Polizeiruf 110» am 20. Juni.
Seit Sonntagabend (6.6.) ist auch der ARD-Talk «Anne Will» in der Sommerpause. «Maischberger – Die Woche» folgt am Mittwoch (9.6.) und der Montagstalk «Hart aber fair» mit Frank Plasberg am 14. Juni. Der ZDF-Polit-Talk «Maybrit Illner» verschnauft erst ab 15. Juli, «Markus Lanz» zwei Wochen im August.
Für Spannung ist in den nächsten Wochen dennoch im Fernsehen gesorgt – immerhin ist Fußball-EM. Doch Anfang Juni ist wie immer die Zeit, in der das deutsche Fernsehen allmählich in die Sommerpause geht. Dieses Jahr lohnt es sich besonders, kurz innezuhalten, denn so voller Highlights und Tiefpunkte wie 2021 war die TV-Szene lange nicht mehr.
Aufreger Nummer eins: Zahlreiche Publikumslieblinge – früher hätte man von «Wetten, dass..?»-Promis gesprochen – vergriffen sich aus Sicht vieler Menschen im Ton und lösten ab 22. April Debatten darüber aus, inwieweit man die Corona-Maßnahmen ironisch aufs Korn nehmen darf. Das Motto lautete #allesdichtmachen. Stars wie Ulrike Folkerts, Heike Makatsch, Meret Becker, Ken Duken ruderten zurück, Jan Josef Liefers erklärte sich, und Volker Bruch («Babylon Berlin») meinte in der «Welt am Sonntag»: «Unser Ziel war, die Kritik an den Maßnahmen aus dieser als extremistisch gebrandmarkten Ecke zu holen.» Nun denn.
Aufreger zwei: Ende Januar wiederholte der WDR eine Folge des Talks «Die letzte Instanz». In der Runde bei Steffen Hallaschka redeten die Gäste Thomas Gottschalk, Janine Kunze, Micky Beisenherz und Jürgen Milski unter anderem über die Frage: «Das Ende der Zigeunersauce: Ist das ein notwendiger Schritt?» Das löste Kritik an den «Kartoffeln» aus, also den unbedarften Weißen, die hier diskutierten. Der Sender räumte Fehler ein, Moderator und Talkgäste baten um Entschuldigung. Im März gab es dann beim WDR als eine Art Wiedergutmachung einen Themenschwerpunkt zu Rassismus, der aber nur Wenige interessierte.
Aufreger drei: Sat.1 räumte bei seinen Reality-Formaten auf. So wurde zum einen die Reihe «Plötzlich arm, plötzlich reich» abgesetzt, nachdem Kandidat Matthias Distel – bekannt als Schlagersänger Ikke Hüftgold – öffentlich Kritik an der Produktion geäußert hatte. Und auch die Show «Promis unter Palmen» verschwindet. Die diesjährige aufgezeichnete Staffel wurde nach dem überraschenden Tod von Teilnehmer Willi Herren nicht mehr zu Ende ausgestrahlt, viel Ärger lösten zuvor schon ungeschnittene Äußerungen von Kandidat Marcus Prinz von Anhalt aus, der Frauen auf ihr Aussehen reduziert hatte und Dragqueen Katy Bähm (Burak Bildik) schwulenfeindlich angegangen war.
Aufsehenerregendes gab es noch mehr: Ausgerechnet Günther Jauch, ein Werbegesicht der Bundesregierung für das Impfen gegen Covid-19, infizierte sich mit dem Coronavirus und war deshalb im April bei drei Live-Shows des Formats «Denn sie wissen nicht, was passiert!» an der Seite von Thomas Gottschalk und Barbara Schöneberger nicht an Bord.
Außerdem: Anfang Februar outeten sich im «Süddeutsche Zeitung Magazin» 185 Schauspielerinnen und Schauspieler unter dem Motto #actout als queer, darunter «Tatort»-Stars wie Mark Waschke und Karin Hanczewski. Apropos queer oder homo: Die ARD brachte im Mai mit «All you need» die erste deutsche Serie nur mit schwulen Hauptfiguren in ihre Mediathek. Ein Versuch, Anschluss an den international viel diverseren Bewegtbildmarkt zu finden. Bei ZDFneo und online folgt im Juli eine aktuell gedrehte lesbische Miniserie: «Loving Her».
Und sonst?
Petra Gerster (66) moderierte am 26. Mai zum letzten Mal die 19-Uhr-«heute»-Nachrichten, Linda Zervakis (45) verließ Ende April die «Tagesschau» zugunsten von ProSieben. Das ZDF verabschiedete sich im März von seiner Show «Willkommen bei Carmen Nebel» und die ARD im Juni endgültig von ihrer Erfolgsserie «Um Himmels Willen».
Bei Jauchs Quiz-Klassiker «Wer wird Millionär?» gewann in der Folge vom Rosenmontag der Helmut-Kohl-Enkel Johannes Volkmann 64.000 Euro.
Im April startete eine Talkshow ohne Zeitlimit: Michel Friedman redet in «Open End» bei Welt so lange mit den Gästen, bis der Letzte geht oder er selbst keine Lust mehr hat – können auch vier Stunden sein.
Annalena Baerbock gab das erste TV-Interview nach der Kür zur grünen Kanzlerkandidatin am 19. April nicht etwa ARD oder ZDF, sondern dem Privatsender ProSieben. Apropos ProSieben-Primetime: Am 31. März bewegten Joko und Klaas ihren Sender dazu, unter dem Hashtag #Nichtselbstverständlich, den Alltag einer Pflegekraft in Echtzeit zu zeigen. Acht Stunden Reality-TV einer neuen Dimension. Von Joko Winterscheidt stammt auch die Idee zum Quiz «Wer stiehlt mir die Show?», in der die Kandidaten die Moderation der darauffolgenden Ausgabe gewinnen können. Das lief mit Elyas M’Barek und Thomas Gottschalk so gut, dass es weitergeht.
Das diesmal in Deutschland gedrehte Ersatz-Dschungelcamp gewann Reality-TV-Sixpack Filip Pavlović, der sich damit ein Ticket für «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» 2022 sicherte, an dem laut RTL auch Harald Glööckler und Lucas Cordalis teilnehmen sollen.
Bei «Deutschland sucht den Superstar», wo Michael Wendler («Egal») nach seinen Corona-Eskapaden rausgeschnitten worden war und unkenntlich und unerwähnt blieb, gewann Jan-Marten Block. Oberjuror Dieter Bohlen wurde im März in den letzten DSDS-Ausgaben von Thomas Gottschalk ersetzt und liegt nun mit RTL über Kreuz. Die vierte Staffel der ProSieben-Kostümshow «The Masked Singer» gewann am 23. März der Dinosaurier, in dem Sänger Sasha steckte. Bei «Germany’s Next Topmodel» war die Gewinnerin die 23-jährige Alex Mariah Peter aus Kön und erstmals eine Transgender. Die RTL-Tanzshow «Let’s Dance» gewann, mit Partnerin, der isländische Fußball-Promi Rúrik Gíslason.
Achja: Fast hatte man sich damit abgefunden, dass der Applaus bei Shows vom Band kommt, da zeigte das Finale des Eurovision Song Contest am 22. Mai in Rotterdam, welche Kraft Fernsehen mit Live-Publikum haben kann. Die Lust auf Konzertgefühl und Musikerlebnis drückte sich wohl kaum besser aus als in der Rock-Performance der Sieger aus Italien. Deutschland landete erneut weit hinten. Teilnehmer Jendrik gab zu, sein Anti-Hass-Liedchen «I don’t feel hate» sei nicht sein bester Song. Doch er habe auch gewusst, dass er «von den deutschen Jurys nur mit diesem Lied» ausgewählt werde. «Bisschen hinterhältig, oder?» Sein einziges Ziel sei gewesen, zum ESC zu kommen. Kurz gesagt: Egotrip Song Contest.
Die Sommerpause endet übrigens im Laufe des Augusts und spätestens im September. Sandra Maischberger kommt am 4. August wieder, Frank Plasberg («hart aber fair») am 23., Maybrit Illner am 26. und Anne Will am 29. August. Die ZDF-«heute-show» kehrt am 3. September zurück, ebenso wie Jan Böhmermann mit seinem «ZDF Magazin Royale».
Ähnliche Beiträge
Bastian Pastewka verletzte sich beim Dreh zu neuer Serie
Bastian Pastewka verletzte sich beim Dreh zu neuer Serie
«Faking Bad» – die neue Show mit Oliver Kalkofe