Noch nie waren Serien und Spielfilme so ein begehrtes und seltenes Gut wie 2021. Entsprechend wird auf der weltgrößten TV-Messe Mipcom in Cannes diese Woche mit Hochglanzproduktionen gehandelt wie noch nie.
Denn durch die Lockdowns lagen Produktionen weltweit brach oder verzögerten sich erheblich, oft um einige Monate. «Vieles wurde zurückgehalten», sagte Mipcom-Chefin Lucy Smith, «aber für nächstes Jahr erwarten wir einen starken Nachholeffekt.»
Eine «Disruption», also eine Art Verdrängungswettbewerb, habe es schon vor dieser Pandemie gegeben, sagte dazu der Geschäftsführer der ZDF-Tochter ZDF Enterprises, Fred Burcksen. «Corona hat sie nur umso sichtbarer gemacht.» Der Wettbewerb der Sender und Portale wachse.
Netflix zum Beispiel hat vor kurzem angekündigt, in den nächsten drei Jahren allein für deutschsprachige Inhalte 500 Millionen Euro in die Hand zu nehmen. Derweil kündigte das ZDF als «größter Einzelauftraggeber der deutschen Produktionswirtschaft» an, nächstes Jahr 650 Millionen Euro zu investieren.
Schon mehren sich die Stimmen, die einen «Overkill» befürchten: Denn wer soll sich das alles noch anschauen? «Die Sichtbarkeit von Inhalten geht immer mehr verloren», warnte Produzent René Jamm von Warner Bros. ITP Deutschland. Das deutsche Fernsehen habe sowieso im weltweiten Vergleich «ein enormes Content-Angebot», das sich nun noch mehr erhöhe, da auch die klassischen Sender eigene Mediatheken aufgebaut und mit zusätzlichen Inhalten gefüllt hätten.
Immer mehr Kreative, die bei dem erhöhten Arbeitsaufkommen in der Branche schon jetzt knapp sind, überlegen sich, ob sie noch für Streamingportale aktiv sein wollen: Sie befürchten zuweilen, mit ihrer Arbeit, in die sie ihr Herzblut gelegt haben, in einem Massenangebot unterzugehen. Damit genau das nicht passiert, müssten es schon «echte Programm-Highlights» sein, die in den Mediatheken Premiere feierten, gab RTL-Fiction-Chef Hauke Bartel zu bedenken.
Bleibt die Frage nach der Finanzierung dieser Leuchtturm-Projekte. «Der Markt ist überhitzt», ist sich Jan Mojto, der Geschäftsführer des Programmvertriebs Beta Film, sicher. Lange könne es mit den exorbitanten Ausgaben und dem extremen Ausstoß an audiovisueller Ware nicht mehr so weiter gehen. «Größere werden Kleinere aufkaufen», vermutet Mojto. Burcksen prognostiziert derweil, dass der Streaming-Markt letztlich nur Platz für vier große Player biete.
Die Mipcom, die an diesem Donnerstag endet, zeigt, was schon bald in Millionen Wohnzimmern über die Bildschirme flimmert. Normalerweise kommen an der Croisette mehr als 10 000 Verantwortliche von Sendern, Produktionsfirmen, Programmvertrieben, Internetplattformen und Medienkonzernen aus aller Welt zusammen. Nach zwei Jahren Zwangspause wegen Corona hatte sich die Besucherzahl in diesem Jahr halbiert.
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